Mein Leben wurde seit meiner frühen Kindheit durch viele vorhergehende, leichte und schwere Krankheitsverläufe geprägt. Ausgenommen von den üblichen Kinderkrankheiten erfolgte 1990 meine erste Operation in meinem Leben – es war ein akuter Blinddarm - mit 18 Jahren.
2 Jahre später zog ich mir bei einem Arbeitsunfall einen 3-fachen Bänderriss am rechten Fuß zu. Ein Blechzuschnitt, 12mm dick und 1x1m groß fiel mir beim Abscheren an der hydraulischen Schlagschere mit der Spitze auf meinen Fuß, der dann ambulant operiert wurde.
Am 18.Dezember 1992 erfolgte meine erste lebensbedrohliche Lungenembolie. Nach anschließend erfolgter REHA, von der ich mich nach insgesamt 11-monatiger Genesungsphase ganz gut erholte, wurde ein auf Dauer beeinträchtigtes Lungenvolumen diagnostiziert. Die Ursache für die Lungenembolie war nach allen ärztlichen Untersuchungen unklar. Anschließend trat ich wieder erfolgreich ins Berufsleben ein.
Durch interne Abteilungswechsel konnte ich ständig mein Wissen und Knowhow erweitern und konnte mich so weiterentwickeln. Im Sommer 1993 begann ich ein 4-jähriges Studium für Maschinenbautechnik in Teilzeitform (Abendschule) und schloss es erfolgreich ab. Mir ging es zu diesem Zeitpunkt schlicht weg gut.
7 Jahre später, im Oktober 1999, bekam ich eine erneute lebensbedrohliche Lungenembolie (linksseitig). Als ich 3 Tage auf der Intensivstation lag stellte sich noch eine dritte Lungenembolie - ein Rezidiv (rechtsseitig) ein.
Wieder begannen während des stationären Klinikaufenthaltes und nachfolgend bei Fachärzten die Untersuchungen um deren Ursache zu klären. Jedoch auch wieder ohne Erfolg. Die Ursache war nach wie vor unklar. Ich wandte mich an Blutgerinnungsspezialisten die eine eventuelle Blutgerinnungsstörung untersuchten. Dort wurde ein anfänglicher Verdacht eines Antiphospholipidkörpersyndroms untersucht…
Beim APS (Antiphospholipidkörpersyndroms) finden sich Antikörper gegen Phospholipide, einer der Hauptbestandteile von Zellmembranen. Durch diese so genannten Antiphospholipid-Antikörper kommt es zu einer vermehrten Gerinnbarkeit (Hyperkoagulabilität) des Blutes und folglich zu einem vermehrten Vorkommen von Thrombosen.
Die Untersuchung ergab, dass die Werte zwar grenzwertig seien, jedoch nicht ausreichen würden, um solch eine Blutgerinnungsstörung bei mir zu verursachen. Ansonsten seien alle anderen entscheidenden Blutwerte grenzwertig und im grünen Bereich. Also blieb auch nach der zweiten und dritten Lungenembolie die Ursache unklar. Anfänglich hat sich die Unsicherheit und meine psychische Belastung geringfügig verstärkt jedoch nahm ich die bisherigen Ereignisse als Schicksalsschläge hin. Ich kam also ganz gut mit dieser Situation zurecht und verarbeitete sie fast problemlos mit einem gewissen Restanteil. Damit ich wieder physisch auf die Höhe kam, trat ich einer Koronar-Herzsportgruppe bei. Jedoch war ich hier durch mein begrenztes Lungenvolumen eingeschränkt.
Warnsignale des Körpers
Es
war ein Tag wie jeder anderer im November des Jahres 2006. Ich ging
arbeiten, rauchte Zigaretten in den Pausen (damals rund 20 Stück am Tag)
jedoch nicht über Lunge und hatte jede Menge Arbeitsstress und
Termindruck. Ich war in einem Projekt involviert, das eine tägliche
Arbeitszeit zwischen 9 und manchmal 12 Stunden ohne Pausen erforderte um
den Termin halten zu können.
Um dieser Belastung Herr zu werden verlangte ich von meinem Körper immer mehr Leistung bis ich auf einmal merkte, das er anfing sich zu wehren. Vergleichbar mit einem LKW der eine Steigung hochfährt, der Fahrer immer mehr auf das Gaspedal drückt jedoch keine Beschleunigung mehr erfolgt. Ob es ein Burn-Out Syndrom war? Es war unbegreiflich, da ich mir immer sagte, so etwas passiert Dir nicht. Nun wurde ich eines besseren belehrt und musste es akzeptieren. Bevor es aber so weit kam ignorierte ich die typischen Zeichen und Warnungen meines Körpers die mir sagen sollten, Jürgen, mach langsamer!
Wie fing es also an?
Es war am Samstag, der 20. Mai 2006 am frühen Morgen. Ich war schon aufgestanden um zu frühstücken, als ich ein beklemmendes Gefühl bekam, dem ein merkwürdiger Schwindel folgte. Wieder auf der Bettkante sitzend fiel ich plötzlich nach hinten mit dem Rücken auf das Bett und wurde bewusstlos.
Rund 120 Minuten später, immer noch so auf dem Bett halbliegend, kam ich wieder zu mir. Mein ganzer Körper war von Schweiß durchnässt, als ich wieder langsam meine Augen öffnete. Schließlich schaffte ich es, meine Beine auf das Bett zu legen. Ich spürte, das mein Hals ganz trocken war und griff nach der Wasserflasche, die neben meinem Bett stand, um etwas zu trinken, jedoch konnte ich es nicht.
Verwundert stellte ich fest, das mein linker Mundwinkel herunterhing und ich überhaupt kein Gefühl verspürte. Es war ein taubes und pelziges Gefühl, als ich meinen Mund abtastete. Das Wasser lief gerade wieder so aus meinem Mund wie ich es trank.
Rund drei Stunden später nach dem Vorfall normalisierte sich wieder mein Zustand. Mir war zu diesem Zeitpunkt überhaupt nicht bewusst, in welcher Lage ich mich befand! So nahm ich dieses Ereignis nicht für bedenklich, da ich ja wieder "voll funktionsfähig" war. Welch ein Irrtum wie sich später herausstellen sollte.
Knapp eine Woche später nach dem Ereignis bekam ich dann leichte Kopfschmerzen. Mal waren sie da, mal waren sie weg. Dieses wechselseitige Auftreten der Kopfschmerzen hielt bis zum November 2006 an...
Verdacht auf eine Stirnhöhlenentzündung?
Es war in der zweiten Novemberwoche, der 15.11.2206, an dem sich abends, nach der Arbeit die Kopfschmerzen auf einmal verstärkten. Zunächst nahm ich gegen die Schmerzen Kopfschmerztabletten die auch anfänglich wirkten, jedoch nur kurzfristig.
Schließlich wurden es permanente Kopfschmerzen, die Tag und Nacht anhielten. Die Stärke nahm immer mehr zu, während ich nach wie vor zur täglichen Arbeit ging. Zwei Wochen lang lebte ich in der Hoffnung, dass die Kopfschmerzen wieder von selbst vergingen, aber weit gefehlt. Schließlich rennt man ja nicht gleich wegen Kopfschmerzen zum Arzt dachte ich mir.
So langsam kam es mir dann doch etwas verdächtig vor und beschloss meinen Hausarzt zu kontaktierten. Erschwerend kam hier noch hinzu, das ich ebenso starke Schmerzen im unteren Wirbelsäulenbereich bekam und auch diese anhielten. Ich konnte nur noch gekrümmt laufen. Wenn ich mich aufgerichtet habe wurden die Schmerzen unerträglich. Insgeheim vermutete ich wieder eine Thrombose...
Also rief ich am 04.12.06 bei meinem Hausarzt wegen eines Termins an und ging noch am selben Tag zur Untersuchung zum Hausarzt, der schon allein wegen meiner Vorgeschichte Vorsicht walten ließ.
Nach Schilderung meines Krankheitsbildes verwies der Hausarzt mich sofort an einen Röntgenarzt, der sich mit der Sache näher befassen sollte. Am 5.12.2006, bekam ich dann schon früh morgens einen Röntgentermin.
Auf dem Röntgenbild war ein deutlicher Schatten hinter der Stirn zu sehen. Leider wurde hier keine CT- oder Kernspinuntersuchung gemacht, sondern es wurde nur ein "normales" Röntgenbild erstellt. Der Arzt stellte daraufhin eine verwunderliche Diagnose „Verdacht auf eine Stirnhöhlenentzündung“. Ich fragte den Arzt, ob es möglich sei, das man durch eine Stirnhöhlenentzündung solch starke permanente Kopfschmerzen und Kreuzschmerzen bekommen kann? Der Arzt konnte keine Stellungnahme mehr dazu geben, da ein dringendes Telefonat unsere Sprechstunde vorzeitig beendete.
Ich verließ dann die Röntgenpraxis machte mir keine weiteren Gedanken darüber und stieg mit den Schmerzen in die Straßenbahn, um wieder nach Hause zu fahren. Ob das schon der Anfang einer Hirnblutung war?
Der schicksalshafte Tag
Es war der 5.Dezember 2006, 12.30Uhr mittags als ich in der Firma anrief. Zuvor bekam ich einen eigenartigen Schwindel der ca. eine Stunde lang anhielt. Nachdem ich in der Firma angerufen hatte legte ich mich wieder ins Bett. Kurz darauf klingelte es an meiner Haustür.
Ich stand auf, nach wie vor schwindelig und ging in Richtung Haustür. Als ich die Tür öffnete, verabschiedete sich mein Augenlicht. Es war auf einmal alles schwarz. Ich konnte plötzlich überhaupt nichts mehr sehen, nicht mal schemenhaft, obwohl ich bei vollem Bewusstsein war. Ich tastete mich durch die Wohnung, dem Flur bis ins Schlafzimmer. Dort legte ich mich erleichtert wieder ins Bett. Fast zur gleichen Zeit fing sich auf einmal alles an zu drehen…
Das war alles, an was ich mich noch erinnern konnte, bevor ich ins Koma fiel…